Musikalische Reise in die Jugend. Episode 3: Offspring

Was der Generation vor mir das „Self Esteem“ und „Smash“ ihrer Zeit, war und bleibt für mich immer das Album „Americana“ aus dem Jahre 1998. The Offspring in Bestform wie auf „Smash“ – und auf ihrem kommerziellem Höhepunkt. Napster, MTV und dem QuickTime-Player seien Dank.

Die Tracklist von „Americana“ werde ich, wie bei Dutzenden anderer Musikalben, Zeit meins Lebens auswendig kennen, Spielzeiten in Minuten und Sekunden jedes einzelnen Tracks inklusive. Nerdig, ich weiß. Aber ich kann damit leben.

Okay, das Intro wurde für die skip-Taste produziert. Aber dann, der erste Kracher: “Have you ever” mit diesem catchy-bassigen Break-Part im Mittelteil, dann eines dieser Offspring-typischen 2-Minuten-geradeaus-Viervierteltakt-130bpm-Stücke, in denen Offspring unterm Strich immer die besten Offspring sind („Starin‘ at the Sun“), ein paar Takte und Akkorde später diese zum Träumen und dahinschmelzende Interpretation und Cover-Version des Chansons „Feelings“. Eine Hommage an die Liebe.

Whooohoooo!

Es folgen ein paar grundsolide 2-3-Minuten-Punk-Nummern („Walla Walla“, „End of the line“, „No brakes“) mit teilweise anspruchsvollem Songwriting. Genau wie das heimliche, verkannte Highlight des Albums an Position 12: dieses fette, Gitarren-verzerrte Brett von Intro im Titeltrack „Americana“, das auch in der Trump-Ära hätte geschrieben sein können.

Doch damit nicht genug. Zum Abschluss dieses Maxi-Intro im Maxi-Stück „Pay the man“, das nach acht Minuten herausgeschriener Zeitgeist-Kritik allen Ernstes noch mit einer Latino-Akustik-Variante von „Pretty fly“ im „Hidden Track“ (noch so ein CD-typisches EasterEgg-Relikt aus den 90ern) aufwartet. Episch (zumindest für Punkrock-Ansprüche). Soweit die eher unbekannten, weil nicht als Single oder Videoclip veröffentlichten Songs.

Auf der Playlist an Stelle fünf: einer der besten Offspring-Songs ever, 2 Minuten und 59 Sekunden lang Punkrock in Perfektion, diese anklagende Lost-Generation-Hymne aus den Suburbs: „The kids aren’t alright”.

Und direkt daneben in der Tracklist, na klar, die Mutter aller Filesharing-Downloads, der Napster-Nepp des Jahres 1998, der Song mit diesem pretty fly white guy. Davor, dazwischen, danach – über 40 Minuten verteilt – all diese „Whooo hooo“s und „Whuuuu huuu“s, ohne die ein Offspring-Album offenbar nicht auskommen kann.

Yeeeaahhheeeeaaa!

Sein wir doch mal ehrlich: Welcher (Ehe-)Mann konnte sich nicht mindestens einmal im Leben mit den Textzeilen von “She’s got issues” oder „Why don’t you get a job?“ identifizieren? Na? Na? Eben.

Würde gerne wissen, wie oft ich dieses Album rauf und runter gehört habe. Alleine auf meinem einst existierenden, treuen Aiwa-Discman definitiv so oft, dass mir meine Mutter irgendwann recht schnell ihre Freude darüber zum Ausdruck brachte, selbstverständlich jedes Mal wohlartikuliert.

Whuuuuhuuuuu!

Vor allem dieses eine Lied mit diesem bohrenden „Ahaa, ahaaa!“ im Refrain hatte es meiner Mum besonders angetan, wenn sie nach einem langen, anstrengenden Arbeitstag nachhause kam, die Wohnungstür aufschloss, sich auf ihren wohlverdienten Feierabend freute – und sie aus des Sohnemanns Zimmer ein Klangteppich aus fetten Basslines und verzerrten Gitarren in (geschätzten) 120db begrüßte.

Nein, Mutter! Ich wiederhole mich auch heute gerne: Das ist kein Krach, das ist Musik – trotz dieser „nervigen Stimme“ des Sängers. Irgendwie musste ich mich ja wehren gegen Wolfgang Petry. Schon 15 Jahre bevor ich mit dem Gitarrespielen anfing, war mir zudem klar: Verzerrte Gitarren können ihren lieblichen, verzaubernden Klang nur dann richtig entfalten, wenn die Regler bis zum Anschlag nach rechts gedreht sind – gilt auch für die Regler der heimischen Stereoanlage.

Ich gehe soweit, zu behaupten, dass mich die temporeichen Songs von The Offspring mit ihren verzerrten Gitarren und eingängigen Melodien von allen Bands meiner Jugendzeit am meisten nachhaltig in meiner musikalischen Entwicklung beeinflusst haben. Darauf ein dreifaches Whuuhuuuu Whooohooo Whaaaahaaa Yeeaahhhheeeaaa!

Wie es sich für Kinder der MTV-Generation gehört, nehmen auch die Videoclips zum Album bis heute einen festen Platz in jenen Gehirnregionen bei mir ein, die für audiovisuell-emotionale Erinnerungen an meine Jugend reserviert sind.

Aha, aha!

Bis heute glaube ich zum Beispiel zu erkennen, dass mindestens zwei der Videoclips offensichtlich am selben Nachmittag in der selben Straße irgendeiner stereotypen US-Vorstadt in einem Rutsch schnell abgedreht wurden.

Und dank YouTube gibt es heute sogar – auch ohne DVDs der Band gekauft zu haben – die Möglichkeit, herauszufinden, was wohl aus diesem Typen aus dem „Pretty Fly“-Video geworden ist.


Weitere Folgen aus der Serie „Musikalische Reise in die Jugend“

Episode 1: Aqua

Episode 2: Rammstein

Muttertag-Spezial: Rammstein

Episode 3: The Offspring

Episode 4: Lenny Kravitz

Episode 5: Bloodhound Gang

Episode 6: Red Hot Chili Peppers

Episode 7: Die Toten Hosen

Episode 8: Die Ärzte

Episode 9: Blink-182

Episode 9: Limp Bizkit

Episode 11: Linkin Park

Episode 12: Papa Roach

Episode 13: Eminem

Episode 14: Green Day

Episode 15: Beatsteaks

Episode 16: System Of A Down

Episode 17: Muse


Serie „Musikalische Reise in die Studentenzeit“

Folge 1: Nirvana

Folge 2: Oasis

Folge 3: Böhse Onkelz

Folge 4: The Rifles

Folge 5: The Prodigy

Folge 6: Blackmail

3 Gedanken zu “Musikalische Reise in die Jugend. Episode 3: Offspring

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