Dinge, die man wohl nie vergisst: die erste selbst gekaufte Single. Bei mir war das im April 1999 während eines Hausboot-Trips irgendwo im Mecklenburg-Vorpommerischen Nichts zwischen Algen und Dieselgeruch.
Mit Freunden der Familie schipperte ich über die Mecklenburgische Seenplatte an der Müritz. Im Ort Waren, wo wir eines Tages „Anker legten“, gab es auch eines dieser kleinen, putzigen Altstadt-Fußgängerzonen-Handelsgeschäfte mit CD-Abteilung.
I want to get away from Sasha!
Mein Kumpel Chris kaufte sich dort die damals aktuelle und zeitlos schwülstige Pop-Ballade dieses damals aufstrebenden und heute immer noch singenden Schwiegermamalieblings Sasha. Der 12-jährige Chris hatte vermutlich Liebeskummer. Süß.
Während Chris ab da an täglich für zwei Wochen, sogar nachts in der Koje, mit Hilfe seines portablen CD-Players den Song „We can leave the world behind“ mitsäuselte und sich nach täglichen Scharmützeln mit seinem jüngeren Bruder von Diesel-Geruch beflügelt in eine bessere Welt träumte, steckte ich meine Kopfhörer in meinen Discman, flog in Gedanken (von Diesel-Geruch beflügelt) über die Wolken und flüchtete vor Sasha in die Welt des fuzzy-groovigen Rocks. Zu Lenny. „I want to get awaaay! I wanna flyyyyy awaaaay…“
Ja, genau. Dieses Lied aus der Peugeot-Werbung.
Entgegen der Meinung meines damaligen Mitschülers Stefan B., kaufte ich die CD nicht, weil „Fly Away“ der Titelsong einer zeitgleich veröffentlichten Peugeot-Werbung war und ich aus familiären Gründen eine gewisse Bindung zur gleichen Automarke besaß.
Nein, ich legte mir die CD (in erster Linie) zu, weil ich die Musik cool fand (und unterbewusst, in zweiter Linie eventuell möglicherweise auch, ich kann es nicht gänzlich ausschließen, weil der Song in der Peugeot-Werbung vorkam und ich aus familiären Gründen eine gewisse Bindung zur gleichen Automarke besaß. Ja, okay).
Diese Frisur kann keine Perücke sein
Schlagzeug, Bass, Gitarre, Gesang – manchmal kann die Welt so schön einfach sein. Okay, ein paar Stimm- und Gitarreneffekte kamen dazu. Und vor allem dieser Envelope-Effekt, der dem Bass in den Strophen seinen charakteristischen Whaaa-Whaa-Pump-Sound verleiht. Okay, fett und aalglatt produziert isses auch. Wahrscheinlich sogar mit Autotune. Aber abgesehen von diesen Nebensächlichkeiten: grundsolide, handgemachter Rock in Reinform.
Noch heute bin ich übrigens fest davon überzeugt, dass Lennys Afro-Frisur auf dem CD-Cover keine Perücke ist. Atze Schröder trägt ja auch keine, wir wir alle aus sicherer Quelle wissen. Steht schließlich irgendwo im Internet. Einfach googlen!
20 Jahre nach diesem Erlebnis bewegt mich vielmehr eine andere Frage: Ob der heute 32-jährige Chris die CD immer noch besitzt? Und ob er, wenn er in Kojen liegt oder vermutlich Liebeskummer hat, diese schrecklich kitschigen Textzeilen aus „We can leave the wold behind“ mitsäuselt und sich in eine bessere Welt träumt? Vielleicht weiß sein jüngerer Bruder das. Ich werd‘ ihn mal fragen. #scharmützelBros
Weitere Folgen aus der Serie „Musikalische Reise in die Jugend“
Rammstein-Spezial zum Muttertag
Episode 4: Lenny Kravitz
Episode 6: Red Hot Chili Peppers
Episode 8: Die Ärzte
Episode 9: Blink-182
Episode 9: Limp Bizkit
Episode 11: Linkin Park
Episode 12: Papa Roach
Episode 13: Eminem
Episode 14: Green Day
Episode 15: Beatsteaks
Episode 16: System Of A Down
Episode 17: Muse
Serie „Musikalische Reise in die Studentenzeit“
Folge 1: Nirvana
Folge 2: Oasis
Folge 3: Böhse Onkelz
Folge 4: The Rifles
Folge 5: The Prodigy
Folge 6: Blackmail
Ein Gedanke zu “Musikalische Reise in die Jugend. Episode 4: Lenny Kravitz”