Bleibt eisern!

Heimatgefühle, 1933 und Familienpeace mit Anfassen: ein Stadionbesuch bei den „Eisernen“ vom 1. FC Union Berlin. Mit dabei: verzweifelte Väter, angewiderte Polizisten, Rammstein, Nina Hagen und andere Stil-Ikonen.

Serie: Berliner Leistungssport. Teil 4: Fußball. FC Union Berlin.

  • Datum: Samstag, 29. Oktober 2016
  • Ort: Stadion an der Alten Försterei, Berlin-Köpenick
  • Spielklasse: 2 (2. Bundesliga)

Wer Fußball liebt oder zumindest die Atmosphäre eines Spiels als Zuschauer in einem Stadion live aufsaugen möchte, der kommt kaum vorbei an einem Stadionbesuch im tiefsten Berliner Südosten, in einem Waldgebiet („Wuhlheide“) im Stadtbezirk Treptow-Köpenick, Ortsteil Köpenick, Ortsrand Uhlenhorst.

Wer sich einen Löffel Berliner Kultur schmecken lassen will, sollte zu einem Fußballspiel ins Stadion „An der Alten Försterei“.

Da im Wald, da spielt (nicht die Eintracht, sondern) der Profiverein 1. FC Union Berlin – „die Eisernen“, wie der Klub sich unter Fans, Sponsoren und Fachpublikum nennt. „Eisern“, weil das Fußballer-Leben in Ost-Berlin schon immer etwas hertha war.

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Wer sich (aus West-/Rest-Berlin) auf den Weg macht zu einem Union-Heimspiel, den beschleicht womöglich schon nach wenigen Minuten und Kilometern das Gefühl, in eine andere Welt zu fahren.

An einem Samstagmittag im Spät-Oktober offenbaren sich mir die Eigenarten eines Union-Stadionerlebnisses bereits vor der Abfahrt, vor der Reise in den (von mir bisher) unerschlossenen „fernen Osten“ Berlins.

Union spielt an diesem Tag gegen Fortuna Düsseldorf. Einige Gästefans haben sich rund eineinhalb Stunden vor Anpfiff an den S-Bahnhof Schönhauser Allee verirrt. Die Düsseldorfer sind nicht zu sehen, nur zu riechen und zu hören. „Hurra, Hurra! Die Fortuna ist da!“, grölen sie aus dem fern-nahen Fußgängertunnel. #Vorfreude

Punks und Familien mit Kindern auf dem Bahnsteig gucken irritiert, verlegen bis peinlich berührt. „Lasse doch singen!“, schmunzel-entgegnet eine Mitfünzigern einem gleichaltrigen Pärchen, das sich elitär und lautstark – weil in sicherer Entfernung zu „diesen Fußballidioten“ wähnend – über das „primitive Verhalten“ der rheinischen Fußballfans auslässt. Auch ich bin irritiert, wähne mich in Düsseldorf.

Hörprobe: Fußballfans von Fortuna Düsseldorf („)singen(„).

Die Bahn fährt ein. Mademoiselle Etepetete durchläuft die Tür ins Innere der S-Bahn, wähnt sich in Sicherheit vor dem lautstarken Pöbel. Doch dann: In letzter Sekunde erstürmen die bis dato unsichtbaren Düsseldorfer Sangesknaben, von der Treppe kommend, das Innere der S-Bahn, bevor deren Tür schließt und abfährt. Glück gehabt.

Die Kulturfreunde machen es sich biertrunken und Bier weiterreichend gemütlich. Das fußballfankulturfeindliche Berliner Mitfünziger-Pärchen findet sichtlich Gefallen daran. Ich schmunzle und notiere in Fußballvokabular: „Das nennt man wohl AUSWÄRTSSIEG!“

Fahrt mit der S47 stadtauswärts,  vorbei an Kleingärten. Beim Blick aus dem Fenster wird klar: Ost-Berlin ist nicht automatisch Prenzlauer Berg (Schönhauser Allee), nicht automatisch weltoffene Moderne, ist manchmal eher so 1880 oder 1940. 

Rund fünf Bahnminuten vom Hipster-„Epizentrum“ Prenzlberg entfernt: An den Fahnenmasten in mehreren Schrebergärten wehen Flaggen der Wehrmacht, einmal auch ein US-amerikanischer Konföderationsbanner. Uuuh! Dazwischen, bis nach Karlshorst, immer mal wieder rot-weiß-gelbe Flaggen mit dem Schriftzug“Eisern Union“.  Aaah!

Mir kommt spontan so ein Gedanke…

Erster Umstieg am Bahnhof Berlin-Schöneweide (Zwitter der Ortsteile Niederschönhausen und Oberschöneweide). Ideale Kulisse für einen düsteren (deutschen Heimat)Film. Ich sach‘ ma so: Der Bahnhof sieht aus, als ob … Ach, scheiß die Taube drauf! – lassen wir zur Illustration besser BILDER sprechen:

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lauschiges Plätzchen: der vor rund 20 Jahren durch EU-Gelder finanzierte Fußgängertunnel vor dem Bahnhofsplatz Schöneweide (Bezirk Treptow-Köpenick)

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Bevor sich die Bahnhofstauben dagegen wehren können, vereinnahmen fremde Menschen mit schlechten Manieren und unverständlicher Sprache den Bahnhofs-Vorplatz, rotten sich zum Schutz vor der Staatsmacht in Gruppen zusammen, missbrauchen die unberührte Schönheit des kleinbürgerlichen Idylls zu ihrem Treffpunkt. Rülps. Kotz. Würg.

Einige dieser „Nowis“ (interner Polizei-Sprech für „NOrdrheinWestfalen“) glotzen den wenigen anwesenden Frauen hinterher, feixen untereinander, machen sexistische Gesten und lautstark frauenfeindliche „Witze“ – veredelt mit dem ein oder anderen Klaps auf den Po der ein oder anderen Auserwählten.

Zwar stellen diese ungebetenen Gäste nur eine Minderheit unter den anwesenden Gästefans aus Düsseldorf dar. Die lokale Lügenpresse wird Tags darauf trotzdem reißerisch titeln: „Was suchten so viele Nordrhein-Westfalen am Bahnhof? Frauen begrapscht, auf die eigene Hose gekotzt – Schöneweide verkommt zum Sammelbecken für Assoziale. Der Staat schaut nur zu“.

Für die meisten Gäste aus der Modestadt Düsseldorf – Familienväter mit Kindern, Männer im Frührentner-Alter – muss der Bahnhof Schöneweide einem Kulturschock gleichkommen: versiffte Punks in Lederkutten, Taubenschiss, arabisch schreiende Obst- und Gemüsehändler. Das Schlimmste aber im Bahnhofs-Markt: „Berliner Pils“ statt „Diebels“, die leerste Theke der Welt.

Lektion 95: Schöneweide is nich Oberkassel, die Michael-Brückner-Straße nicht die „Kö“.

11:54 Uhr, bzw. 66 Minuten vor dem Anpfiff:
Ein bierbäuchiger Besoffener in einem rot-weißen-Trikot lehnt sturzgefährdet an einem Gelände vorm Eingang der Bahnhofshalle, den Kopf kraftlos nach unten geneigt. Mit zum Himmel getreckter Siegesfaust trohnt er da an der Rollstuhlfahrer-Rampe, der Alkoholfreund mit Fußballproblem, lallt und erbricht in sein Dosenbier irgendetwas von der „längsten Theke der Welt, jajajaja…“.
Samstagvormittag, 11:54 Uhr, 66 Minuten vor Anpfiff des Fußballspiels.

Ein Dutzend dick gepolsterte und bewaffnete Polizisten betrachtet das mikrosoziale Trauerspiel mit einer Mischung aus Abscheu und Faszination. Scheißjob! Und irgendwo im Internet befeuert ein Fußballkritiker mit einem Facebook-Post die Dauer-Debatte um den Sinn oder Unsinn verschwendeter Steuergelder.

Das Bild des sabbernden Fußballtrottels lässt mich nicht los. Es ist wie bei einem Unfall: Du weißt, du sollst nicht hingucken, denn es täte auch dir weh – aber… zu spät.

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Deutscher Fußballfan an einem Samstagvormittag (Symbolfoto. Quelle: lachschon.de/zumkotzen)

Immerhin ersparte ich dem armen Tropf, dem die Sabber auf die Arme tropft, seine endgültige Bloßstellung in der Öffentlichkeit und verzichtete darauf, ihn mit meinem Handy zu filmen und ein Video davon online zu stellen. Lieber verweise ich auf Videos, die andere Menschen von diesem Kerl gemacht und online gestellt haben, etwa hier, hier oder hier.

Apropos „Elend, Trottel, Unfall, armer Tropf“ etc:

Als ich da so stehe am Bahnhof, werden Erinnerungen wach an meinen letzten Besuch an diesem Ort: November 2015, arschkalte Temperaturen, rund 6.000 Gegendemonstranten warten auf rund 150 Nazis, die zu einem Flüchtlingsheim marschierten, geschützt und begleitet von der Polizei.

Rund ein Jahr später – anderer Anlass, teils gleiches Publikum – versprüht die Anlaufstelle und der Sammeltreffpunkt für Fans eines auswärtigen Fußballvereins den gleichen ranzigen Charme wie zu jener NDP-Demonstration.

Zurück zum Bild des sabbernden Fußballtrottels. Es lässt auch andere nicht los.

„Papa, ich will hier weg!“, fleht ein etwa Zehnjähriger seinen Vater an, Angst in den Augen. „Ich auch, Sohn. Ich auch“, will der Papa wahrscheinlich und ehrlich antworten, überspielt sein Unwohlsein im Beisein seines Steppkes dann aber mit heldenhafter Mannhaftigkeit und beruhigt seinen Sohn mit den Worten: „Nur noch zehn Minuten mit der Straßenbahn, dann sind wir da.“

Wenn die wüssten. Was Papa und Sohn (und alle anderen in der Straßenbahn) nicht ahnen konnten: Nach drei Stationen, am „Freizeit und Erholungszentrum (FIZ)“ nahe der Parkbühne Wuhlheide, endet der (bis dahin bereits semi-erholsame) Freizeit- und Familienausflug jäh:

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Streckensperrung! Konsequenz: Fußmarsch! (#WeilWirDichLieben)

Auf dem rund 20-minütigen Fußweg zum Stadion lausche ich den üblichen Fachgeprächen. Grob zusammengefasst: Männliche Fußballfans über 30 sind boshafte und verbitterte Zyniker. Vor allem, wenn sie verperlt, verlobt, verheiratet sind und am Wochenende mal Auslauf kriegen.

Endlich: Nach rund 80 Minuten Anreise von Ost-Berlin (Prenzlauer Berg) nach Ost-Berlin (Treptow-Köpenick) bin ich am Stadion angekommen. Zehn Minuten vor Anpfiff.

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Zeit für das obligatorische Stadionbier und die obligatorische Stadionwurst. Sie schenken „Berliner Pils“ aus. Das obligatorische Stadionbier fällt heute aus. Die Wurst schmeckt auch mit koffein- und kohlensäurehaltigen Erfrischungsgetränken.

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Union gewinnt meinen ersten Sympathiepunkt: Wer Trinken kauft, erhält einen hochwertigen Plastikbecher mit individuellem Union-Aufdruck. Gibt’s bei Hertha nicht.

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Toll: ein Plastikbecher

Mit derart billigen, effekthascherischen Marketing-Tricks ist ein kritischer, stets professionell distanzierter Berichterstatter wie ich natürlich weder zu begeistern, zu vereinnahmen noch zu beeindrucken.

Whooooo! Ein Fanshop!

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Viele tolle Sonderangebote! unglaublich große Rabatte! aber nur noch bis heute! Klickt euch durch, kauft und konsumiert: www.union-zeughaus.de.

Bevor ich ein Union-Heimspiel besucht habe, habe ich öfter gehört, im Stadion „Alte Försterei“ seien Fans „mittendrin statt nur dabei“, „unglaublich nah dran am Geschehen“. Kann ich bestätigen.

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Kaum an den Fresständen und Getränkebuden vorbei, steht der zahlende Kunde fast auf dem Spielfeld. Nur ein Zaun, wenige Zentimeter Luftlinie und ein paar Stadionordner trennen Zuschauer und das Spielfeld.

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Links: Zugang zur Stehplätzen auf der Waldseite. Zuschauer, die Karten für einen Sitzplatz oder für den Rollstuhlbereich haben, gehen oder fahren am Zaun nach rechts, am Fuße der Hauptribüne entlang.

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Mehrmals an diesem Tag im Stadion wird mir klar, warum es heißt, Union sei ein „Verein zum Anfassen“, ein Verein, dem viele Menschen den Status einer Art „Familie“ beimessen.

Das liegt zum einen an der geringen Distanz, auf der sich Zuschauer und Spieler, Kunden und Teammitglieder im Stadion begegnen.

  • Spieler stehen gut gelaunt – oder zumindest nicht sichtlich genervt – am Fuße der Haupttribüne, lassen sich mit und von Fans abichten, geben bereitwillig Autogramme, plaudern mit Zuschauern, sogar wenige Minuten vor Anpfiff.
  • Union-Teammitglieder schütteln Fans an der kniehohen Bande zwischen Trainerbank und Haupttribüne die Hände, grüßen sich, lächeln.
  • Manch Spieler oder Teammitglied herzt einen vorbeifahrenden Rollifahrer.
  • Auch nach Spielende haben sich alle lieb: Umarmungen, Händeschütttler, Schulterklopfer wohin das Fanauge sieht und Fanherz reicht.
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Idole zum Anfassen: Union-Profis nehmen sich Zeit für Autogramme und für den ein oder anderen Plasuch mit Zuschauern.

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Die Botschaft bei Union: Man kennt sich. Das „man“ steht für „wir“, für „Eisern“, für alle, die Teil einer Familie sein wollen, bietet Union das Gefühl, Teil einer Familie sein zu können. Die Mutter des Gemeinschaftsgefühls, das „Wir“, wird bei Union gelebt, vor allem von den Fans. Jüngstes Beispiel: Wenige Tage vorher fuhren 12.000 Fans unter der Woche zu einem Pokalspiel nach Dortmund.

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Das „Union“-Maskottchen: „Ritter Keule“

Klar, auch Union ist PR und Marketing, sehr cleveres sogar.

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Interkulturelles Marketing im Namen der Tradition: „Berliner Pils“-Werbeslogan der Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei, zugeschnitten auf die Lokalmarke „Union“.

Aber dieses „Wir-Gefühl„, was der Verein an seine Stakeholder transportiert, scheint – so zumindest mein Gefühl – mehr und stärker zu sein als eine reine PR- und Marketing-Strategie, die andere Klubs ihren Fans bzw. Kunden meist allzu aufdringlich auferlegen.

Ein Indiz: Mit Werbedurchsagen und dämlichen Pausenspielen des Sponsors werden Zuschauer in der Alten Försterei nicht belästigt. Stattdessen bezieht das Unterhaltungs- und Rahmenprogramm quasi ausnahmslos die eigenen Fans mit ein, möglichst direkt:

  • In Spielpausen verkünden Stadionsprecher und Anzeigetafeln Geburtstagsgrüsse für Mitglieder und treue Fans, ebenso Trauerdurchsagen für gestorbene Fans.
  • Der Stadionsprecher wirkt wie „einer von denen“ auf der Tribüne. Kein Schickimicki-Anzug, keine sichtbaren Allüren. Nicht nur wegens seines Nachnamens (Arbeit) steht der Stadionsprecher für das, was Union-Fans mit ihrem Klub verbinden: Authentizität.
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  • Durch blecherne, überforderte Stadionlautsprecher scheppert vor allem Rockmusik: Rammstein und die eigene Vereinshymne als Einlaufmusik, später Metallica („Enter Sandman“) und der neuste „Hit“ der Sportfreunde Stiller.

Gegen Düsseldorf übertreiben es die Zuschauer im Stadion aber mit ihrem „Wir sind eine große Familie“-Einheitsfaschmismus: Alle 22.000 Besucher tragen rot und weiß, haben offentlichtlich den gleichen Modegeschmack. Wie öde, wie mainstream.

(Mein Sitznachbar meint, das liege daran, dass beide Mannschaften die gleichen Vereinsfarben haben: rot-weiß. Diese Fakten interessieren mich aber nicht, meine Meinung steht fest: Die sind hier alle voll mainstream! #WortDesJahres #postfaktisch)

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Lediglich ein paar Dutzend Ordner in neongelben Westen, zahlenmäßig gleichmäßig verteilt und abgestellt in die jeweiligen Blöcke, sprengen das einheitliche Wir-Gefühl. Aber so sind sie nunmal, diese Ost-Berliner, diese Unioner: rebellisch. Eiserne Sturrköppe.

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Blick auf den Gästeblock.

„Unsre Heimat, unsre Liebe, in den Farben Rot und Weiß. Deutscher Meister ’33 – nur damit es jeder weiß.“ Vermerk im Notizblock (Android Memo Widget): „Fangesang Düsseldorf, eher so ’33.“

Deutlich weniger ’33, (eher so ’20er) ist die Vereinshymne der Eisernen, gesungen von Ostberlins Erfolgsexport-Punkerin Nina Hagen. Im folgenden Video in einem Mash-Up mit anderen Ost-Berliner Musiklegenden: Rammstein. Und nun: Laustärke-Regler nach rechts!

Kurz vorm Anpfiff, wieder was gelernt: Unionspieler heißen mit zweitem Nachnamen alle „Fußballgott“ (meinen alle um mich herum, als der Stadionsprecher die Mannschaftaufstellungen vorliest). In Frankfurt nennt man sowas Blasphemie. Dort (und natürlich auch im Rest des Universums) gibt’s nur einen Fußballgott (#amfg14). Der Hool in mir rebelliert-skandiert innerlich  „PolytheismusRausAusDenKöpfen!“.

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20. Minute. Die Kreativität des Düsseldorfer Teams überträgt sich auf die ihrer mitgereisten Fans: „Fo-Fo-Fo-Fofo-Foooor… Tu-tu-tu-tutu-tuuuu… Na-na-na-nana-naaaa… – Foor-tuu-naaaaa.“ Aaaa-ha.

Stimmungstechnich geht hier jedem Fan dieser Sportart, jedem Liebhaber von Fußballkultur wahrscheinlich das Herz auf. (Ich wiederhole mich. Egal. Sinnvolle Redundanz geht immer. Immer! Stimmung!!!)


Derweil an der Seitenlinie: Düsseldorf-Coach Friedhelm Funkel (ja, der trainiert immer noch!) scheint mit irgendwas nicht zufrieden zu sein…


Ein Stadionbesuch bei Union: ein soziokulturelles Erlebnis. Pausenlos Fangesänge, zwischen der Stehtribüne hinterm Tor und der wohl lautesten Stehplatzgegengerade Deutschlands, auch im Wechsel zwischen beiden Fanlagern. Apropos laut: so isses hier fast durchweg. Bei Union ist Stimmung in des Ritters Butze. [genug Redundanz]

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Die wohl lauteste Gegentribüne in deutschen Fußballstadien.

Im folgenden Video habe ich versucht, die Atmosphäre eines Union-Heimspiels (mit billigster Technik) möglichst gut einzufangen. Damit die Atmo rüberkommt, solltet ihr das Video unbedingt mit eingeschaltetem TON ansehen.



Auch noch nirgends gehört: Jede bevorstehende Standardsituation begleiten die Unionfans mit „Hinein!“-Rufen.

Geht der Ball nicht „hinein“, finden Union-Fan das nicht schlimm. Denn dann machen sie sich Mut, indem sie rufen: „Nicht vergessen: Eisern!“ Irgendwie putzig, diese trotzigen Ost-Berliner.

Stichwort putzig: Die Geschäftsstelle des Vereins neben den Toren des Stadions.

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Die fußballkulturelle Romantik an der „Alten Försterei“ erschließt sich sicher nicht jedem. Schon gar nicht Menschen, die mit Fußball nix anfangen können. Alle anderen werden kaum verleugnen können, dass „es“ schon „etwas hat“, ein Spiel von Union zu besuchen. Irgendwie nichts weltbewegendes (’n Fußballspiel halt), aber irgendwie dennoch einmalig und erlebenswert.

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14.49 Uhr. Das Spiel ist aus. Union verliert 1:0 und damit den Anschluss an die Tabellenspitze.

Warum Düsseldorf das Spiel gewinnt, bleibt unklar. „F95“ war das schlechtere von zwei schlechten Teams, hatte deutlich weniger Spielanteile und deutlich mehr Glück als Union. Aaah, da ist ja die Erklärung: „deutlich mehr Glück“. Nun denn, dann soll et halt so seien.

Die Union-Profis bedanken sich bei ihren treuen Anhängern, traben ausgelaugt aber pflichtbewusst eine komplette Runde durchs Stadion, applaudieren artig vor jedem Fanblock. Aus den Boxen tönt wieder „Eiiiisern Union. Immer wiiieder Eisern Union…“

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Liebe Eisernen, bleibt tapfer! Und nie vergessen: Das Leben könnte noch viel hertha sein.

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Im nächsten Teil dieser Serie: gleiche Sportart, eine Liga niedriger, rund 40 Kilometer weiter westlich: Besuch bei „Hertha BSC Berlin“ im Olympiastadion.

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